Toronto – Niagara
14.–16.09.2018
Flughafen Toronto – wir sind da! Nach einem reibungslosen Flug mit einer sehr netten Crew kommen wir bei strahlend schönem Wetter an. Es ist ganz wunderbar, dass unser Freund Christian uns abholt. Der Jetlag zupft an den Augenlidern und dem Gleichgewichtssinn, aber Dank Natalia, Christian und den beiden Jungs kommen wir nicht zum absacken. Kurz die Dachterrasse inspizieren und schon geht es los, Beine vertreten und was futtern. Die Planung für morgen steht schnell: Niagara-Fälle! Einer der großen Touristen-Magnete kann kein zweites Mal außen vor bleiben. Die Sommerklamotten hatten also doch ihren Sinn, die Sonne knallt und der, für mich unerwartete, Disneyland-Faktor auch. Aber der Anblick ist doch majestätisch und das Potpourri an Menschen sehr unterhaltsam. Da alle das dringende Bedürfnis nach Trinken/Essen/Schatten haben halten wir auf dem Rückweg am Inniskillin Weingut und genießen die sommerliche Atmosphäre. Noch ein Abstecher in den malerischen Distillery District in Toronto, um den Ausflug abzurunden. Früher ein absolutes No-Go-Gebiet wurde es zu einem charmanten Bummel-Viertel verschönert. Der Abend klingt auf der tollen Dachterrasse unserer Unterkunft aus, die Natalia wunderbarerweise für uns alle gebucht hat. Da wir alle am Sonntag zu gleichen Zeit abfliegen, bleibt noch der gemeinsame Weg zum Flughafen, wo sich meinerseits ein paar Abschiedstränchen in die Vorfreude mischen – Bye Bye und Los!
Von Calgary nach Vancouver Island
Canmore:
Lady MacDonald Tea House Hike
17.09.
Nach weiteren zwei Stunden Zeitverschiebung landen wir aus 30°C in Toronto (inkl. Sonnenbrand) in erfrischenden 3°C in Calgary – herrlich! Die erste Nacht in der bezaubernden Paintbox Lodge in Canmore wird von einem großartigen Frühstücksbuffet abgerundet, wir fühlen uns voller Tatendrang und schon geht es los zum ersten Hike. Auch wenn am Ende leider kein Tea House wartet hört es sich gut an: tolle Ausblicke, zwar nicht als »family friendly« deklariert, aber nur mittelschwer und schlappe 935 Höhenmeter in 4 – 6 Stunden. Gerade losgelaufen kommt das erste Puma- und Bären-Warnschild und die Erkenntnis: Ups, das Bärenspray vergessen…
Zurück ins Auto und zu der netten Dame im Hotel, dort gibt es welches zum ausleihen und eine kurze Erklärung zum Sicherungsclip und schon geht es wieder weiter. Nach einem kurzen Reiben am Auge muss ich doch feststellen, dass auch homöopathische Reste AN der Dose schon reichen, um eine Vorstellung zu bekommen, was das Spray bewirken soll! Nach 20 min kann ich wieder sehen und es geht wirklich endlich los!
Das Wetter passt, es geht mäßig bergauf, man könnte stundenlang so weitergehen – bis es immer steiler und felsiger wird. Aber was solls, wir sind ja nicht zum spazieren gehen da, also weiter, weiter, Ausblick, weiter, Ausblick, weiter,…!
Niedliche Eichhörnchen lassen sich leider nicht fotografieren, sorgen aber für willkommene Schnaufpausen und kurz oberhalb der Baumgrenze (die hier im Allgemeinen deutlich höher liegt) ist es genug: nach einer stattlichen Kraxelpartie (mittelschwer – Aha) machen wir Rast, sind froh über jedes Stück der Ausrüstung, denn es ist saukalt. Lady Macdonalds abgebranntes Teahouse werden wir nicht mehr ganz erreichen, aber die Aussicht ist toll und der Rückweg wird noch lang.
Der Burger am Abend ist wohlverdient und am nächsten Morgen ist die Treppe aus dem ersten Stock eine Herausforderung, aber es war toll!
Banff Nationalpark:
Twin Cairns Hike at Sunshine Meadows
18.09.
Ein neuer Tag und die Devise ist: nicht soviel laufen, vor Allem abwärts. Daher fällt die Wahl auf Sunshine Village im Banff Nationalpark. Vor Ort fahren wir für stolze 38 CAD pro Person mit einem original Schulbus in sonnigem Gelb auf einer holprigen Piste (Gruß an die Bandscheibe) hoch in den Mt. Assiniboine Provincial Park und werden von einer energischen jungen Rangerin in Empfang genommen. Nein, wir werden ganz sicher auf dem Weg bleiben, keinen Müll hinterlassen, die Bären mit lautem Reden vor uns warnen und nix futtern, das lecker riecht. Und ja, der Familienvater hinter uns tut gut daran, nochmal zu fragen: das Bärenspray kommt DIREKT in das Gesicht des Bären, nicht auf sich selbst sprühen oder einen olfaktorischen Schutzwall auf den Boden, kann aber gerne im Cafe mit Probedosen geübt werden… Weiter mit dem Sessellift und die Optik einer herrlichen Winterlandschaft genießen. Saukalt, aber wunderschön und es wird an der Aussichtsplattform überwältigend getoppt: grandios, spektakulär, um nicht zu sagen amazing (Sorry, liebe Alpen)! Nun laufe ich schon wieder bergauf und bergab, der Muskelkater schnurrt und ein Ausblick jagt den Anderen. Eine ältere Dame, die uns entgegenkommt, nimmt mir das Wort zum heutigen Marsch aus dem Mund: I hate gravity. Dafür lässt sich eines der flinken Streifenhörnchen ablichten und zusammen mit den Paarhufer-Paar auf der Hinfahrt war das doch wieder Natur von ihrer reizendsten Seite!
312 km nach Jasper:
Icefields Parkway
19.09.
North, to Alaska… Nicht ganz soweit, aber die Richtung stimmt. Wir starten bei dunstigem Wetter pünktlich wie die Maurer, wir haben schließlich viel vor: diverse Seen, Viewpoints und eine Gletscherzunge stehen an und so wechseln wir den Fahrersitz, Thomas kommt sonst nicht genug zum Sichten der Ziele und rechtzeitigem Anmelden der Haltewünsche. Der Himmel reißt auf, ein herrlicher Tag und schon bald wird uns klar: auf dieser Strecke gehen einem bald die Adjektive aus! Hinter jeder Kurve der nächste WOW!-Moment und so setzten wir ebenso große Erwartungen in den Anblick von Lake Louise. Nun, hier kann der Königssee gut mithalten, es geht zu wie in Schloss Neuschwanstein, ein Potpourri der Nationen und sehr unterschiedlicher Kleidung. Deutsch: perfektes Outdoor-Outfit wie für den Himalaya, Amerikaner*innen: Lulu Lemon Leggins und Sneaker, Asiaten: gerne Strohhut und leichte Klamotten in lustiger Schichtung. Dazwischen versucht ein sehr junges asiatisches Paar mittels Selbstauslöser ein glückliches Hochzeitsfoto vor Postkarten-Kulisse zu schießen.
Wir wollen zurück zum WOW! und halten daher schon kurz darauf am Bow Lake, gleich danach am Peyto Lake: hier ist der Weg zwar hart erarbeitet, da eisig fest getrampelter Schnee jedes der genannten Outfits an seine Grenzen bringt, aber erstaunlicherweise kommen wir, also auch die mit Muskelkater, heil am Aussichtspunkt an und da ist er wieder, der: Ja-leck-mich-doch-Moment! Thomas muss natürlich erst mal wieder über das Geländer drüber für einen besseren Schuß, der Autoschlüssel bleibt bei mir. Ich bin derweil wieder fasziniert vom nächsten Hochzeitspaar mit Ambitionen auf das spektakulärste Foto im Hochzeitsdress und kann einfach nicht widerstehen, der Braut im Panoramafoto einen Ehrenplatz zu geben.
Weiter, HoppHopp, die einzelnen Parkbuchten zähle ich jetzt nicht alle auf und wir erreichen den Athabasca-Gletscher, eine der sechs Zungen des Columbia Icefields. Der Weg dorthin hat als Schwierigkeitsangabe die nette Bezeichnung: Lollipop, und mir reicht das heute völlig. Es ist ein ganz besonderes Licht hier, kalt und windig, die Optik aus Gletschergeröll und strahlendem Eis macht bei knallender Sonne ein überwältigendes Panorama und in all unserer Ergriffenheit kommt hinter uns die Ansage einer (möglicherweise) amerikanischen Touristin: »And what’s so great about that?« Ja, gute Frage, seht selbst… Langsam ist der Speicher voll, damit meine ich meinen Kopf. In den von Thomas Kamera passt noch ganz viel und erst beim allerletzten Fotostop ist endlich der Akku leer. Zu früh gefreut, es gibt immer Ersatz!
Irgendwann nähern wir uns doch mit knurrendem Magen Jasper. Nach einem längeren Gefecht mit unserem Navi, das die Tekarra Lodge viele, viele Kilometer weit weg speichert, wo zusätzlich noch der Highway gesperrt ist, wenn man ihn denn fahren müsste, aber nicht muss, denn sie liegt in einer völligen anderen Ecke, finden wir, ähnlich wie dieser Satz zu einem glücklichen Ende. Eine heiße Dusche und ein wirklich super Abendessen aus Spaghetti mit Fleischbällchen und unglaublich guten Bison-Rippchen lassen den Tag zufrieden und erschöpft enden.
Jasper:
Valley of the Five Lakes
20.09.
Es regnet und wir brauchen ein wenig Schnaufpause und so warten wir erst mal ab, ob sich die Wettervorhersage bewahrheitet; es soll gegen Mittag zumindest trocken werden. Ein beiläufiger Blick aus dem Fenster und wir staunen über die Wapiti-Familie, die um die Hüttchen unsere Ferienanlage streift und Blätter knabbert. Leider erwischt Thomas sie nicht mehr, entdeckt aber hinter dem Schuppen eine seltene Gruppe anderer Art (s.u.). Endlich ziehen wir los, schauen kurz nach Jasper auf Suppe und Kaffee und da der Regen sich fast vertan hat, fahren wir noch zu den fünf Seen. Diese wurden uns schon von der netten Dame in Canmore angepriesen, bei der wir unser höchstpersönlich eigenes und für die Augen schmerzfrei zu haltendes Bärenspray erworben haben. Angekündigt mit zwei bis drei Stunden, 8,5 km und ca. 150 Höhenmetern mit meinem soeben abgeflauten Muskelkater doch ein Klacks! Ein schöner Weg, auf und ab und das Knarren der Bäume lässt uns immer mal aufhorchen, ob doch ein Bär um die Ecke kommt, aber die haben heute wohl ihren freien Tag. Das war’s für heute auch schon – dachten wir: auf dem Heimweg treffen wie wieder eine Hirschfamilie und diesmal kommt Thomas, man verzeihe das Wortspiel, zum Schuss!
Dicht gedrängt, um sich gegenseitig Schutz und Wärme zu geben, bilden die Weber Grills kleine Herden, wenn es kälter wird.
On the Road:
Von Jasper nach Sorrento
21.09.
Winter is coming! Im rustikalen Ambiente bei launigen Swingklängen und einem sehr herzhaften Morgenmahl werden beim Blick aus dem Fenster die Flocken immer tuffiger und dichter. Fast möchte man die Augen reiben und fragen: Ja, ist denn heut’ schon Weihanchten? Den meisten anderen Gästen steht ob des Wettereinbruchs leichtes Entsetzen ins Gesicht geschrieben, wahlweise der pure Grant. Wir indes hatten ja eh vor, nach Süden aufzubrechen! Gesagt, gepackt und los geht es auf lange 515 km nach Sorrento. Der Schnee wandelt sich in Regen, der Mount Robson ist imposant, aber zum Teil g’schamig hinter Wolken versteckt und der größte Teil der Fahrt eher geruhsam. Raus aus den Rockies wird die Landschaft weicher und die tiefhängenden Wolken machen den Blick ganz flauschig. Die Autoruinen sind da eine willkommene optische Abwechslung aus einer anderen Zeit. Oldfashioned ist auch das Café in Clearwater, geführt von zwei charmanten Ladys, es ist zu nett hier, wir genießen unser Sandwich und weiter geht’s. Wir durchfahren große Teile eines der vielen, vielen Brandgebiete und der Anblick, wie knapp es hier vielen Häusern an den Vorgarten ging, hat uns sehr still werden lassen. Erst wenige Tage vor unserer Anreise wurde in British Columbia der Notstand aufgehoben. Nicht lange nach diesen Bildern wandelt es sich bereits wieder und wir erreichen die sehr malerische Gegend um Sorrento am Shuswap Lake, wo wir von Grace in ihrem sehr großzügigem B&B empfangen werden und das schönste Zimmer mit Ausblick auf den See bekommen. In den Teppichen dieses Hauses könnte man versinken und gemütlich ein Schläfchen halten, aber Grace gibt uns den Tipp, wo man vielleicht Lachse auf Wanderschaft sehen kann und wo (noch viel wichtiger) gut essen! Also nix mit im Teppich versinken, raus auf die Straße, rein in den Regen und Lachse gesucht. Die meisten, die wir finden sind tot, dümpeln am Ufer und riechen nicht mehr nach Verkaufsschlager. Aber mitten im Fluß stehen zwei Herrschaften in Kapuzenpulli, Jeans und Gummistiefeln, die bis knapp unter die Wasseroberfläche reichen. Okay, heute morgen hatte es nur 1°C, aber auch für diese 11°C hier finde ich die Aufmachung echt hart im nehmen – Respekt! Die beiden sind klitschnass, fangen einige leuchtend rote und sicher sehr viel wohlschmeckendere Exemplare und wir trollen uns ins Seerestaurant, wo in kanadischer Gepflogenheit der Patio mit Gebläsen wie ein Monster-Fön kuschelig geheizt wird, um uns den Bauch vollzuschlagen und den Tag ausklingen zu lassen.
Auf dem Weg nach Sorrento
Durch das Rust Valley
Sideways
Von Sorrento nach Kelowna
22./23.09.
Puh – zwei Tage nicht geschrieben, denn es war so erlebnisreich! Am Samstag mussten wir beim Frühstück ausgiebig mit Grace und Burl plaudern, bevor wir endlich auf die Straße kommen. Kaum zwanzig Minuten unterwegs, schon wieder Stop: Thomas hat eine neue Schwäche für alte Autos entwickelt, da sie sehr fotogen sind und ruhig stehen bleiben, denn es sieht hier nach Flohmarkt und Hot Rods aus. Wir schleichen ein wenig durch Schlamm und Getümmel, sehen ein paar Männer mit Filmkameras und schon fragt ein netter Kanadier mit einer Jacke im Supernova-Look, wo wir herkommen. Germany – das Stichwort: »Welcome to Canada! Kommt rein, wir drehen gerade für den neuen Teil unserer Serie: The Rust Brothers, läuft dann auf History Channel, über diesen Haufen wilder Autoschrauber.« Der Chef, Mike Hall (auch bekannt als Rasta Blasta) verdient sein Geld eigentlich mit der Sicherung von Berghängen und Skipisten und betreibt die Werkstatt als Hobby mit anderen Jungs, die nach den Worten unseres Fremdenführers Rick »Rost im Blut haben«. Disneyland für Männer! Während ich ausgiebig Lincoln knuddle – kein Auto, der Werkstatthund – fürchte ich, dass Thomas ein Auto kauft, aber die beiden haben einfach viel Gesprächsstoff. Noch eine Runde auf dem Flohmarkt und dann sollten wir uns mit unserem langweiligen Mietwagen auf den Weg machen.
Das Wetter ist so lala, wir fahren ohne weitere Entdeckungen in das Okanagan-Valley, es wird immer italienischer. Der Okanagan Lake ist stolze 135 km lang und ca. auf der Hälfte fahren wir in die Wälder Richtung unserers B&B’s. Hier lebt Jacqui mit ihrer Tochter Rachel und der imposanten Bärenjägerin Nakooma, ihr könnt auf den Bildern ja mal überlegen, wer gemeint ist. Die Kurzfassung ist, dass wir nach Abendessen und einem Bier in der örtlichen Brauerei wieder zurück zum Haus kommen, bereit für Hausaufgaben und einen frühen Schlummer, um morgen fit zu sein, aber in einer lustigen Party landen! Wir werden kurzerhand integriert, mein Sprachvermögen kommt an seine Grenzen und ich bin froh, als ich Kuchen zum dekorieren bekomme, um nicht so nutzlos rumzustehen, während in der Küche leckerstes Essen vorbereitet wird. Hier sitzen wir nun, mümmeln ein zweites Abendessen und hören die beinharte Geschichte von Kevin, der als Bootsführer bei einem Tauchausflug vor sechs Jahren nah der mexikanischen Küste einen Schiffbruch überlebt hat und den Rest der Besatzung gerettet hat. Und ansonsten hat er noch viele weitere Storys auf Lager… Am Morgen sind wir schon wie bei Freunden zu Besuch, bekommen ein tolles Frühstück, obwohl nicht mit gebucht und werden Teil des Sonntagsausflugs auf den Berg mit Vic, Kevin, Carr, Garret und Jacqui. Lagerfeuer mit Tee, Applepie, Sonnenschein und Regen wechseln ab – typisch kanadisch. Vor Allem der Tim Horton Kaffee muss auch dabei sein und erstaunlicherweise schmeckt der auf dieser Seite viel besser als im Osten! Nochmal Abendessen und dann übernehmen wir noch, Kevin zum Flughafen zu bringen, bevor es an die überfällige Dokumentation geht.
Rust Bros
Kelowna